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Veröffentlicht am 03.10.2025

35 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen, Gedenken und Mahnungen

Jedes Jahr erinnert die Freie Wähler Gemeinschaft in der Stadt Zella-Mehlis mit einem Gedenken an die Ereignisse der Friedlichen Revolution, die Wiedervereinigung Deutschlands und den Tag der Deutschen Einheit. Mit Elisabeth Holland-Cunz hatten die Freien Wähler anlässlich des 35. Jahrestags eine Zeitzeugin als Rednerin gefunden, die von den Ereignissen 1989/1990 unter der Überschrift „Gedanken zum Tag“ berichten konnte. Gekommen waren zum Gedenken Thomas Bischof als erster Beigeordneter in Vertretung des Bürgermeisters, Vertreter verschiedenster Stadtratsfraktionen, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Bürgerinnen und Bürger.

„Wenn ich an die aufregenden und für mich freudigen Ereignisse um die Friedliche Revolution der Jahre 1989/90 zurückdenke, kommt es mir so vor, als sei es gestern gewesen“, sagte Elisabeth Holland-Cunz einleitend, um dann auf die Tage und Monate der 1980er Jahre zurückzublicken, in denen Kritik nicht möglich und nicht gewünscht war und die Unzufriedenheit wuchs. „Im Sommer des Jahres 1988 fanden von Bürgerrechtlern verfasste mit Schreibmaschinen auf Matritzen geschriebene und weitergereichte Texte in kürzester Zeit zahlreiche, hoffnungsvolle und begeisterte Leser wie auch mich.“ Dabei erinnerte Elisabeth Holland-Cunz, dass damals keiner einen Kopierer oder Drucker besaß. „Die sich fast überstürzenden Ereignisse im Oktober und November 1989 mit Demos, überfüllten Kirchen, Lichterketten und so weiter waren auch in unserer Gegend zu erleben.“ Die Ereignisse seien nicht mehr aufzuhalten gewesen.

Auch Elisabeth Holland-Cunz begeisterte der Gedanke, sich nun aktiv für eine demokratische Erneuerung einsetzen zu können, erzählt die Rednerin, die seinerzeit an den Runden Risch delegiert wurde. Eine erste Maßnahme sei die Wiederherstellung der korrekten Ortsgrenze zwischen Zella-Mehlis und Suhl gewesen. Damit fiel ein Großteil des Industriegebiets wieder an Zella-Mehlis. Diese Entscheidung habe sich bis heute positiv für die Entwicklung der Stadt erwiesen.

Durch den Runden Tisch knüpfte Elisabeth Holland-Cunz Kontakte zu Karl Nehring, Herbert Otto und Günter Hornstein, die sich für eine parteiunabhängige Plattform engagierten, wodurch die Freien Wähler entstanden. Die Menschen seien begeistert und voller Ideen gewesen. Unterstützung für die ersten freien Kommunalwahlen gab es beispielsweise aus der Partnerstadt Andernach, wohin erste Bande geknüpft worden waren. Mit der Wahl in den Stadtrat begannen die Mühen: „Wir hatten wenig bis keine Ahnung über die einzelnen Abläufe und Aufgaben eines städtischen Parlaments in einer Demokratie.“ Doch gemeinsam mit den anderen demokratischen Parteien, dem Bürgermeister und der Verwaltung sei es gelungen, "die wichtigsten Dinge für ein normales Funktionieren des Alltags zu organisieren."

Elisabeth Holland-Cunz scheut sich, von einer Wiedervereinigung zu sprechen, es sei doch mehr ein Beitritt gewesen, findet sie und drückte ihr Bedauern aus, dass es nicht zu einer besseren Lösung gekommen war. Viele bewährte Dinge seien beschnitten oder abgeschafft worden. Sie selbst, die im Gesundheitswesen tätig gewesen war, habe den Satz „Das rechnet sich nicht“ bis dahin nie gekannt.

Bei allen Neuerungen habe man schnell gemerkt, dass eine gut funktionierende Demokratie oft eine schwerfällige und langwierige Sache sei. Bis zu einem Beschluss vergehe oft eine lange Zeit. „Dies war für Menschen wie uns, die vorher in einer Diktatur gelebt hatten, durchaus gewöhnungsbedürftig“, erinnerte sich die Rednerin und ebenso an jede Menge Probleme und Vorgänge wie etwa das Abwickeln von Betrieben.

Man sei froh gewesen über neue Freiheiten wie Meinungs- und Pressefreiheit oder Reisefreiheit. Diese gelte es auch jetzt kritisch zu beobachten und zu schützen, findet Elisabeth Holland-Cunz und übte Kritik am oftmals aus ihrer Sicht unausgeglichen politischen Diskurs. Die Konflikte in Europa, besonders der Ukrainekrieg, sei bei kluger Politik vermeidbar gewesen, meinte die Rednerin. „Ich vermisse immer schmerzlicher Bundespolitiker, die sich ihrer großen Verantwortung wirklich bewusst sind, die Diplomatie und nicht Kriegstüchtigkeit bevorzugen und das tun, wozu sie auch Kraft ihres Amtes verpflichtet haben: dem Frieden der Welt und dem Wohl des deutschen Volkes zu dienen.“

Abschließend zitierte sie die Bürgerrechtlerin Marianne Birthler: „Es gibt bisher nichts Besseres als Demokratie. Aber es gibt bessere Demokratie.“ und mahnte, dass sich alle dafür unermüdlich einsetzen.

Die Freien Wähler hatten bereits im Vorfeld des Gedenktags in Sichtachse des Rathauses eine Roteiche gestiftet und in Sichtachse zum Rathaus gepflanzt.

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